(Augsburg, 19. März 2025)
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Liebe Brüder und Schwestern,
liebe ökumenische Geschwister,
dieser 19. März, der Tag, an dem wir versammelt sind, um turnusgemäß den alten Vorstand der Bundes-ACK zu verabschieden und den neuen zu wählen und zu beglückwünschen, ist für mich ein willkommener Anlass, einem Menschen meinen aufrichtigen, herzlichsten Dank zu sagen, der lange Zeit in diesem Gremium als orthodoxer Delegierter, als Vorstandsmitglied und jetzt zwei Wahlperioden lang als Vorsitzender gewirkt und alle seine Kräfte in herausragender Weise in den Dienst der Ökumene gestellt hat.
Erlauben sie mir, seinem Bischof, der ihn seit seiner Studentenzeit begleitet, diese Versammlung zu nutzen und das Wirken von Erzpriester Radu Constantin Miron zu würdigen.
1974 konnte sich die orthodoxe Kirche als Neuling in dem Konzert der von den beiden großen Kirchen dominierten christlichen Konfessionsfamilie in Deutschland einfinden. Dementsprechend war die ACK schon 26 Jahre alt, als die Griechisch-Orthodoxe Metropolie von Deutschland, elf Jahre nach ihrer Gründung, Mitglied dieser deutschlandweiten multilateralen ökumenischen Aktion werden konnte. Dass wir jetzt, 51 Jahre danach, einen orthodoxen Geistlichen verabschieden, der, von Ihrem Votum getragen, sechs Jahre lang in der herausragenden Funktion eines Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland die christliche Ökumene in diesem Land moderieren und in hervorragender Weise repräsentieren durfte, war damals nicht absehbar. Wir verdanken das dem großartigen ökumenischen Miteinander der christlichen Konfessionen in Deutschland. Wir verdanken es ebenso sehr der Person von Erzpriester Miron.
Sechs Jahre lang hat er mit Liebe, Klugheit, Unparteilichkeit, Unvoreingenommenheit, Gewissenhaftigkeit und Leidenschaft das organisierte ökumenische Miteinander in Deutschland moderiert und durch seine Persönlichkeit auch geprägt. Gerade dadurch hat er der Orthodoxie in Deutschland eine authentische Stimme gegeben, dass er sie vollkommen in den Dienst der Einheit gestellt hat. Diese kenotische, im Glauben fundierte Haltung erlaubte es ihm, überall das Gemeinsame über das Trennende zu stellen, ohne die Unterschiede zu leugnen und das noch Trennende zu ignorieren. Dabei kamen ihm seine besonderen Talente zu Hilfe: seine analytische Schärfe, sein didaktisches Geschick, sein Witz, seine Schlagfertigkeit, sein Humor. Und die Methode der Elementarisierung: komplexe Sachverhalte durch Rückführung auf ihre elementaren Grundlagen verständlich zu machen. In theologischen, liturgischen und Grundtexten die Sprache, die Sätze und die Wörter anzusehen und aus ihrem elementaren Zusammenhang zu verstehen. Er konnte dabei aus seiner enzyklopädischen Bildung, seiner Vielsprachigkeit, seiner theologischen, philologischen und historischen Bildung schöpfen.
Die sechs Jahre seines Dienstes als Vorsitzender der Bundes-ACK fielen nicht in ein historisches Vakuum, sondern in einen Zeitraum dramatischer Veränderungen. Was wir erleben, ist nicht das Ende der Geschichte, sondern der Zerfall der Nachkriegsordnung mit seinen Schockwellen, die auch Kirche und Gesellschaft erfassen. Eine Zeit zunehmender politischer und gesellschaftlicher Destabilisierung und Polarisierung. Auch die Orthodoxie ist davon unmittelbar betroffen. Die neue geopolitische Wirklichkeit bedroht auch die Einheit unserer Kirche. Auf diesem Hintergrund erscheint der Einsatz für die Einheit in Christus in seiner ganzen, in seiner fundamentalen Bedeutung. Gemeinsames Gebet, Healing of Memories und Versöhnung sind Weisen des gemeinsamen Unterwegsseins.
Vater Constantin hat der Versuchung widerstanden, Öl ins Feuer zu gießen. Er hat die Einheit der Kirche auch da im Blick behalten, wo die Botschaft des Evangeliums durch politische und imperiale Inanspruchnahme manifest pervertiert wird. Als im Kontext der 11. Vollversammlung des ÖKR in Karlsruhe im Jahr 2022 die Forderung laut wurde, die deutsche Diözese des Moskauer Patriarchats wegen dessen Parteinahme für den Krieg Russlands gegen die Ukraine aus der Ökumene auszuschließen, hat er diesem Ansinnen mit dem Argument der Einheit der Kirche und der Solidarität mit denen, die im totalitären Staat nicht offen sprechen können, widerstanden, ohne andererseits die berechtigte Kritik an der Rechtfertigung eines brutalen Kriegs gegen die Ukraine seitens des Moskauer Patriarchats zu unterschlagen oder zu relativieren.
Das unermüdliche Engagement von Vater Constantin in seiner ganzen Breite, seine Omnipräsenz bei zahllosen Anlässen der Ökumene im engeren Sinne, aber auch des öffentlichen Lebens in diesem Land, hier zu würdigen, ist schier unmöglich.
Es gab Höhepunkte wie die schon erwähnte Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe 2022. Es gab die Feier des 75jährigen Bestehens der ACK Deutschland am 10. März 2023. Und es gab gerade in den letzten Jahren die Feiern zahlreicher Gründungsjubiläen örtlicher ACKs.
Es gab die Kirchen- und Katholikentage sowie den dritten Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt am Main und im digitalen Raum.
Es gab, beginnend mit dem Auftakt im Jahr 2020 die fünfjährige „Vorfeier“ des 500jährigen Jubiläums der Täuferbewegung.
Es gab aber auch einen „Tiefpunkt“ ganz eigener Art: die Corona-Pandemie, die der ACK in Deutschland und ihrem Vorsitzenden ein großes Maß an Improvisation, Innovation und Unkonventionalität abverlangte.
Aus dem ganzen großen, breiten Spektrum der zahllosen Aktivitäten möchte ich zwei Engagements von Vater Constantin herausgreifen, die ihm besonders am Herzen liegen. Denn sie geben unserem ökumenischen Weg jenseits von Tagesaktualitäten auf unterschiedliche Weise die Tiefenschärfe, die nötig ist, damit wir den Grund berühren und aus jenem Reservoire schöpfen, das aller zeitbedingten konfessionellen Differenzierung vorausliegt. Ich meine den Tag der Schöpfung und das 1700jährige Jubiläum des Ersten Ökumenischen Konzils, das wir in diesem Jahr feiern.
Dass der Tag der Schöpfung, den im Jahr 1989 der Ökumenische Patriarch Dimitrios ins Leben gerufen hat, ACK-weit am jeweils ersten Freitag des Monats September seit dem Jahr 2010 begangen wird und aus der ökumenischen Agenda nicht mehr wegzudenken ist, verdanken wir vor allem der Weitsicht und dem Einsatz Vater Constantins. Der Tag der Schöpfung ist vielleicht die erfolgreichste ökumenische Initiative der letzten 25 Jahre.
Der zweite Punkt, den ich nennen will, reicht weit in die Vergangenheit zurück, ohne seine Bedeutung für die Christenheit je verloren zu haben: das 1700jährige Jubiläum des Ersten Ökumenischen Konzils, des ersten Konzils von Nizäa im Jahr 325. Schon seit vielen Jahren hat Vater Constantin im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland dieses Jubiläum ins Auge gefasst und vorbereitet. Der Pilgerweg der Ikone des Konzils, die unsere Bischofskonferenz eigens für das Jubiläum anfertigen ließ, durch Deutschland folgt einem akribisch ausgearbeiteten Fahrplan und macht das Gedächtnis des Konzils zu einem sinnlich wahrnehmbaren Ereignis, zu einer „Sensation“ im Wortsinn. Vater Constantin hat die Herstellung dieser wunderbaren Ikone veranlasst und das Festlied dieses Jubiläums verfasst. Es erscheint geradezu providentiell, dass das Jubiläum dieses Konzils mit der Vollendung seiner zweiten Amtszeit als Vorsitzender der Bundes-ACK zeitlich zusammenfällt. Wie wenige Anlässe sonst zeigt dieses Jubiläum, dass gerade der Ursprung unserer Identität als Christen, dass die Tradition der einen Kirche auch die Zukunft für uns bereithält: die polyphone synodale Einheit aller Glieder des über die ganze Erde ausgebreiteten Leibes Christi in dem einen Heiligen Geist.
Und ein tiefer Wunsch, den gerade dieses Gedächtnis in uns allen nährt: Sollten sich nicht unser aller Aspirationen in dem konkretisieren, was gerade dieses Konzil uns nahelegt, indem es eine lange Uneinigkeit in der frühen Christenheit beendet: die gemeinsame Feier des Osterfestes?
Und noch etwas, ein unwahrscheinlicher Zufall, weist unverhofft auf den Reichtum, auf das Kapital unserer ursprünglichen Einheit hin: der unwahrscheinliche Fund von Nida vor sieben Jahren und die schwierige, aber endlich geglückte Entzifferung eines winzigen Schriftstücks aus der Mitte des dritten Jahrhunderts – um die Zeit der Christenverfolgung unter Kaiser Decius – die im letzten Herbst publik wurde. Ein Hinweis auf die atemberaubende Kontinuität, in der wir stehen – aus einer Zeit, die dem Konzil von Nizäa noch um mindestens ein halbes Jahrhundert vorausliegt.
Vater Constantin wäre nicht Vater Constantin, wenn er diesen Fund nicht vor Kurzem in einem Grußwort zum Jahresempfang der Stadt Frankfurt zur Sprache gebracht hätte: Ein bislang unbekannter Christ namens Titus bekennt seinen Glauben an Jesus Christus, an den, „in dessen Namen sich beugen alle Knie, im Himmel, auf der Erde und unter der Erde“.
Erzpriester Radu Constantin Miron versteht den ökumenischen Prozess als eine Schule, in der wir lernen, unsere Wirklichkeit und unsere theologischen Grundlagen gemeinsam anzuschauen und so unsere Selbst- und Fremdwahrnehmung perspektivisch zu erweitern; und als Pilgerweg, der die verschiedenen Herkünfte im Zugehen auf den gemeinsamen Herrn zusammenführt.
Vater Constantin, ich bin Dir zutiefst dankbar für Dein fruchtbares Wirken auf diesem ökumenischen Acker der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland. Du bist nicht nur ein Glücksfall für unsere Metropolie und für die Orthodoxe Kirche, sondern auch ein Glücksfall für die Ökumene in diesem Land, ja für die ganze Christenheit!
Du warst im Vorstand der ACK ein Erzpriester unter Bischöfinnen und Bischöfen. Durch Dein Wirken in Wort und Tat hast Du bewiesen, dass Du den ganzen Acker überblickst und verstehst, wie man ihn bestellt, damit er reichlich Frucht trägt. In diesem ganz ursprünglichen Sinn bist Du ἐπίσκοπος. Ich danke Dir von ganzem Herzen. Gott schenke Dir noch viele Jahre!
Metropolit Augoustinos von Deutschland
Vorsitzender der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD)
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