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Weihnachtsbotschaft des Ökumenischen Patriarchen

+   B A R T H O L O M A I O S

durch Gottes Erbarmen Erzbischof von Konstantinopel, dem Neuen Rom,

und Ökumenischer Patriarch

allem Volk der Kirche Gnade, Erbarmen und Friede

von Christus, unserem in Bethlehem geborenen Erlöser

 

 

Ehrwürdige Mitbrüder im Bischofsamt und im Herrn geliebte Kinder,


Nach göttlichem Wohlgefallen sind wir auch in diesem Jahr wieder zu dem festlichen Tag der Geburt des Wortes Gottes im Fleisch gelangt – des Wortes Gottes, das auf die Erde gekommen ist und „aus unsagbarer Menschenliebe“ unter uns gelebt hat. Lasst uns in Psalmen und Hymnen und unaussprechlicher Freude das große Mysterium der Menschwerdung feiern – das Mysterium, das „unter allem Neuen das Neueste, das einzig Neue unter der Sonne“ (Johannes von Damaskus, Vom orthodoxen Glauben, PG 94, 984) ist und durch das dem Menschen der Weg zur gnadenhaften Vergöttlichung eröffnet und die ganze Schöpfung erneuert wird. Weihnachten ist kein Fest der Sentimentalitäten, die „schnell kommen und noch schneller vergehen“. Weihnachten ist die existenzielle Teilhabe am ganzen Geschehen des göttlichen Heilswirkens. Der Evangelist Matthäus bezeugt (Mt 1,18-2,23), dass die weltlichen Führer das göttliche Kind von Anfang an beseitigen wollten. Doch für die Gläubigen erklingt zugleich mit dem Gesang des Festes der Fleischwerdung des Sohnes und Logos Gottes, des Vaters, „Christus wird geboren …“ ebenso wie beim Trauergeläut zur Passion Christi stets auch das „Christus ist auferstanden …“, die Frohbotschaft des Sieges über den Tod und der Erwartung der gemeinsamen Auferstehung.


Das „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden!“ ertönt wiederum in einer Welt, die von Brutalität, sozialer Ungerechtigkeit und Schändung der Menschenwürde erfüllt ist.  Der rasante Fortschritt der Wissenschaft und der Technologie erreicht nicht die Tiefen der menschlichen Seele, da der Mensch immer mehr ist als das, was die Wissenschaft erfassen kann und der Fortschritt der Technologie anstrebt. Die Wissenschaft kann die Kluft zwischen Himmel und Erde im Dasein des Menschen nicht überbrücken.


Heute ist die Rede vom „übermächtigen Metamenschen“, und man preist die künstliche Intelligenz. Natürlich ist der Traum vom „Übermenschen“ nichts Neues. Die Idee vom „Metamenschen“ stützt sich auf den technologischen Fortschritt und die Ausstattung dieses „neuen“ Menschen mit - in der menschlichen Erfahrung und Geschichte erstmalig vorhandenen - Mitteln, die es erlauben, das bis heute geltende Maß des Menschen zu sprengen. Die Kirche ist nicht technikfeindlich. Sie begrüßt die wissenschaftliche Erkenntnis als eine „dem Menschen von Gott gegebene Gabe“, ohne die Gefahren der Verabsolutierung der Wissenschaft zu verkennen oder zu verschweigen. Die Enzyklika des Heiligen Großen Konzils der Orthodoxen Kirche (Kreta 2016) hebt den Beitrag des Christentums „zu einer positiven Entwicklung der Zivilisation“ hervor, denn „Gott hat den Menschen eingesetzt als Hüter der göttlichen Schöpfung und als seinen Mitarbeiter in der Welt.“ Und weiter heißt es ausdrücklich: „Die Orthodoxe Kirche stellt gegen den heutigen „Menschen-Gott“ den „Gott-Menschen“ als das letztgültige Maß aller Dinge. „Wir sprechen nicht von einem Menschen, der Gott wurde, sondern von Gott, der Mensch geworden ist“ (Johannes von Damaskus, Vom orthodoxen Glauben, PG 94, 988)“.


Die Antwort auf die entscheidende Frage, wie bis zum letzten, bis zum „achten Tag“, die „Kultur der Person“, der Respekt vor ihrer Heiligkeit und der Aufweis ihrer Schönheit trotz des Titanentums und des prometheushaften Denkens der technologischen Zivilisation, ihrer Folgeentwicklungen und Dekadenz inmitten einer menschengotthaften Gesinnung des Meta- oder Übermenschen bewahrt werden können, ist ein für alle Mal im Mysterium der Menschwerdung Gottes gegeben worden. Gott, das Wort, ist Fleisch geworden, „die Wahrheit ist gekommen“ und „der Schatten ist vergangen“. Für immer wird das In-der-Wahrheit-Sein des Menschen mit seiner Beziehung zu Gott verbunden sein: als Antwort auf den Abstieg Gottes zu uns und als Erwartung des kommenden Herrn der Herrlichkeit und der Begegnung mit Ihm. Diese lebendige Hoffnung unterstützt den Kampf des Menschen, die Widersprüche und Herausforderungen seines irdischen Lebens zu bewältigen, eines Lebens „vom Brot“ (Mt 4,4), im Sinn des Überlebens in gesellschaftlicher und kultureller Entfaltung. Doch nichts in unserem Leben kann gelingen ohne Bezug zu Gott im Horizont der Fülle des Lebens, der Fülle der Gnade und der Fülle der Erkenntnis „Seines Reiches“. (Alexander Schmemann)


Weihnachten ist eine Gelegenheit, sich das Mysterium der Freiheit Gottes und das große Wunder der Freiheit des Menschen bewusst zu machen. Christus pocht an die Tür der Menschenherzen, doch nur der durch die Gabe der Freiheit geehrte Mensch selbst kann sie öffnen. „Ganz gewiss, ohne Ihn, ohne Christus“, schreibt Vater George Florovsky seligen Angedenkens, „kann der Mensch nichts tun. Und doch gibt es etwas, was allein der Mensch tun kann: dem Ruf Gottes zu folgen und Christus zu ‚empfangen‘“. (George Florovsky)


Für das „Ja“ auf den Ruf, der von oben kommt, offenbart sich Christus als „das wahre Licht“ (Joh 1,9), als „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6), als die Antwort auf die letzten Fragestellungen des Geistes, auf die Sehnsucht des Herzens, auf die Hoffnungen des Menschen, aber auch auf die Frage nach dem Woher und Wozu der Schöpfung. Wir gehören Christus. In Ihm ist alles vereint. Christus ist „das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“. (Offb 22,13) In Seiner freiwilligen Fleischwerdung „für uns Menschen und um unseres Heiles willen“ hat Gottes Wort „nicht in einem einzigen Menschen Wohnung genommen, sondern Seine Hypostase mit der Menschennatur bekleidet“ (Nikolaos Kabasilas) und auf diese Weise die gemeinsame ewige Vorbestimmung und die Einheit der Menschheit grundgelegt. Er befreit nicht ein Volk, sondern das ganze Menschengeschlecht. Er durchtrennt nicht nur die Geschichte zu unserem Heil, sondern erneuert die ganze Schöpfung. Nicht nur für die Geschichte, sondern auch für das All gilt endgültig und definitiv das „vor Christus“ und das „nach Christus“. Auf ihrem ganzen Weg in der Welt, in der Geschichte und durch sie zu den Letzten Dingen, zum abendlosen Tag des himmlischen Reiches des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes bezeugt die „nicht aus der Welt stammende“ Kirche die Wahrheit, indem sie ihr heiligendes und geistliches Wirken „für das Leben der Welt“ ausübt.


Brüder und Kinder im Herrn,


indem wir gottergeben unsere Knie beugen vor der das Kind in ihren Armen haltenden Gottesmutter und in Demut den „Logos“ anbeten, der „im Anfang“ war und gleichwohl unsere Gestalt angenommen hat, wünschen wir Euch allen eine gesegnete Zeit der heiligen Zwölf Tage und ein an Licht, Gesundheit, Frieden reiches, an guten Werken fruchtbares und von geistlicher Freude und göttlichen Gaben erfülltes neues Jahr der Güte des Herrn.    

 

 

Weihnachten 2024

 

+ Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel,

Euer aller inständiger Fürbitter bei Gott

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